Widerstand von Einzelnen – Residenzverhalten
von Wolfgang Neugebauer und Stephan Roth
Andere Formen der Opposition waren nichtorganisierter Widerstand von Einzelnen, passive Resistenz, Nonkonformismus oder soziales Protestverhalten. Ein großer Teil der rund 10.000 Verfahren vor dem Sondergericht Wien entfiel auf Delikte nach dem „Heimtückegesetz“: defätistische Äußerungen, Verbreiten von Gerüchten, Witze über führende NS Funktionäre, pro-kommunistische oder pro-katholische Äußerungen. Aufgrund dieser Fälle wird dieser „individuelle Widerstand“ nicht zu Unrecht als „kollektive Systemopposition“ verstanden. Solche Äußerungen konnten von der NS-Justiz auch als Wehrkraftzersetzung oder Vorbereitung zum Hochverrat verfolgt werden, wobei in diesen Fällen meist die Todesstrafe verhängt wurde. Bei diesen Delikten sowie bei „Rundfunkverbrechen“ (verbotenes Abhören ausländischer Sender) waren hauptsächlich Denunziationen von Regimeanhängern und Regimeanhängerinnen, aber auch gehässigen Nachbarn und Nachbarinnen oder Bekannten für die Ausforschung entscheidend.
Die Ablehnung des NS-Systems durch bewusst anderes Verhalten- in Kleidung, Haarschnitt, Musik u. a. – spielte besonders im Milieu der Arbeiterjugend eine Rolle, die so gegen den von der HJ ausgeübten Zwang protestierte. Andere Jugendliche, meist Gymnasiasten, entzogen sich, indem sie sich dem als „Negermusik“ diffamierten und verbotenen Jazz und Swing zuwandten.
Von diesen Formen des „kleinen Widerstandes“ gegen NS-Normen hebt sich die Hilfe für rassistisch Verfolgte, insbesondere für Juden und Jüdinnen, qualitativ ab, weil sie von zutiefst humanen Motiven getragen und eine bewusst regimeablehnende Handlung war. Unterkunftsgewährung für jüdische U-Boote oder Lebensmittelweitergabe wurden mit Gestapo- oder KZ-Haft bestraft. Von den mehr als 20.000 als „Gerechte der Völker“ von Israel ausgezeichneten Judenrettern und Judenretterinnen stammen 90 aus Österreich, mehr als die Hälfte davon Frauen.
Um das ganze Ausmaß aller vom NS-Regime unerwünschten und verfolgten Verhaltensweisen zumindest zu erwähnen, sei auch auf die verschiedenen Formen so genannten „asozialen“ Verhaltens, Verstöße gegen die Arbeitsdisziplin, die massenhaft abgeurteilte Pseudokriminalität (wie etwa Schwarzschlachten oder „Schleichhandel“), Homosexualität, „Rassenschande“ sowie die terroristisch abgeurteilte normale Kriminalität erwähnt.
Quelle: Fritz, Herbert/Krause, Peter (2013): Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. (ÖVfStg, 2013) S. 71.)