Sozialistischer Widerstand
von Wolfgang Neugebauer und Stephan Roth
Der sozialistische Widerstand gegen das NS-Regime hatte seine Wurzeln in der Zeit 1934-1938, als die Revolutionären Sozialisten (RS) als Nachfolgepartei der SDAP vier Jahre lang dem Dollfuss-Schuschnigg-Regime Widerstand leisteten. Obwohl nicht wenige enttäuschte Sozialisten und Sozialistinnen in dieser Zeit zu den Kommunisten übertraten, waren die RS mit ihrem gut ausgebauten "illegalen" Organisationsnetz bis 1938 die bestimmende Kraft im Kampf gegen die herrschende Regierungsdiktatur.
Diese Vorrangstellung im Widerstand büßten die RS mit dem „Anschluss“ ein, nachdem im März 1938 vom Zentralkomitee der RS in Hinblick auf die ungleich schärferen Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes die Weisung ausgegeben wurde, alle Aktivitäten für drei Monate einzustellen. Diese Haltung und die Verhaftung vieler Sozialisten und Sozialistinnen sowie die erzwungene Flucht bekannter Funktionäre und Funktionärinnen führten zu einem organisatorischen Niedergang. Aufgrund dieser Entwicklung waren viele dem sozialistischen/sozialdemokratischen Lager zuzuzählende Arbeiter und Arbeiterinnen bereit, in kommunistischen Organisationen mitzuwirken. Aufgrund der untersuchten Gerichtsakten (VGH und OLG) kann festgehalten werden, dass die überwältigende Mehrheit der vor Gericht gestellten Widerstandskämpfer und Widerstandskämpferinnen ehemalige Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen waren, die nach 1938 in kommunistischen Organisationen tätig wurden.
Nicht wenige sozialdemokratische Funktionäre und Funktionärinnen – wie Robert Danneberg, Otto Felix Kanitz, Edmund Reismann oder Käthe Leichter – fielen dem Holocaust zum Opfer. Die Verfolgungsmaßnahmen und das Abreißen der Verbindungen zum sozialdemokratischen Exil nach Kriegsbeginn führten dazu, dass der sozialistische Widerstand in einzelne, voneinander isolierte Gruppen zerfiel. Einige Funktionäre wie Felix Slavik und Alfred Migsch unternahmen Versuche zum Neuaufbau von Organisationen und arbeiteten mit katholischen und monarchistischen Kreisen bzw. Kommunisten und Kommunistinnen zusammen. Von den noch weiterexistierenden sozialistischen Widerstandsgruppen war die von dem – 1944 hingerichteten – Wiener Hauptschullehrer Johann Otto Haas geführte Gruppe der RS am bedeutendsten. Sie hatte bis zu ihrer Aufdeckung im Juli 1942 Stützpunkte in Wien, Salzburg, Tirol und unter den Eisenbahnern sowie Verbindungen zu sozialistischen Gruppen in Süddeutschland.
Quelle: Fritz, Herbert/Krause, Peter (2013): Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. (ÖVfStG, 2013) S. 60/61.