Joseph Martin Nathan

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Joseph Martin Nathan (ÖVfStG)

Personalia

Geboren:

11. November 1867, Stolzmütz

Gestorben:

30. Jänner 1947, Troppau

Beruf:

Priester

Verfolgung:

Rettet Menschen mit Behinderung

Mitgliedschaften

UNITAS:

Lebenslauf

Joseph Martin Nathan wird in Stolzmütz/Oberschlesien [Tłustomosty] 1867 geboren, besucht zunächst das Gymnasium in Leobschütz und wechselt 1884 nach Ratibor, wo er 1887 maturiert. Anschließend beginnt er sein Theologiestudium im Sommersemester 1887 in Freiburg/Brsg. und tritt dort der Studentenverbindung Brisgovia bei. Das Studium unterbricht er zunächst durch seinen Militärdienst von 1887–1888 als Einjährig-Freiwilliger im 1. Schlesischen Grenadierregiment Nr. 10 in Breslau und setzt es dann in Breslau fort. Nach der Priesterweihe 1891 in Breslau ist er als Kooperator in Zabschütz [Zawiszyce] bei Leobschütz in Mährisch-Schlesien tätig, wird dann 1892 nach Branitz [Branice], das zur Österreichischen Erzdiözese Olmütz gehört, versetzt und übernimmt 1899 die Leitung der Pfarre. Da er sich von Anfang an für die Kranken und Notleidenden einsetzt, wird er 1897 auch Gründer und Organisator der „Branitzer Heil- und Pflegeanstalten“ für geistig Behinderte. Sein Plan eines Forschungsinstituts fur Hirn- und Nervenkrankheiten wird später von den Nationalsozialisten endgültig zerschlagen.

1914–1918 vertritt Joseph Martin Nathan als Zentrumsabgeordneter den Wahlkreis 9 Oppeln im Deutschen Reichstag. 1916 erfolgt dann die Ernennung zum Erzbischöflichen Kommissar für den in Schlesien liegenden preußischen Anteil der Erzdiözese Olmütz [Olomouc] und zum Dechanten des Dekanats Katscher [Ketř]. 1924 wird er zum Generalvikar für den Branitzer Teil bestellt und 1926 zum Apostolischen Protonotar ernannt.

Nach der Besetzung des Sudentenlandes durch die deutschen Truppen im Oktober 1938 ernennt Erzbischof Leopold Precan von Olmütz (1923–1947), Metropolit von Mähren, Joseph Martin Nathan zu seinem Generalvikar für den sudetendeutschen Anteil und damit zu seinem Vertreter gegenüber der Deutschen Reichsregierung. In der Fastenzeit 1943 kann er die Bitte von mehreren Dachauer Priestern erfüllen und der Lagerkapelle im KZ Dachau eine Marienstatue „Unsere Liebe Frau von Dachau“ stiften.

Prus XII. (1939–1958) ernennt Joseph Martin Nathan am 17. April 1943 zum Titularbischof von Arycunda und Weihbischof für die deutschen Gebiete der Erzdiözese Olmütz mit Sitz in Branitz. Die Bischofsweihe spendet ihm der Bischof von Ermland, der Oberschlesier Maximilian Keller (1880–1947) in der Branitzer Anstaltskirche. Während der Nazizeit versucht Joseph Martin Nathan, möglichst viele der ihm anvertrauten Kranken vor der Euthanasie zu retten, „indem er sie einfach nach Hause schickte“ und sie so gerettet werden können. Er kann aber nicht den Abtrausport eines Teiles der Patienten in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenschein/Sachsen verhindern. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs gelingt ihm die Unterstellung der Branitzer Anstalten unter die Wehrmacht, um so die systematische Durchführung der Euthanasie, zu verhindern. 1941 wird in einem Teil der Branitzer Heil- und Pflegeanstalten ein Lazarett eingerichtet.

Für die Kirchenabteilung der Troppauer Gestapo gilt Joseph Martin Nathan als „persona ingratissima“. Er muss sich Gestapo-Verhören unterziehen, wo für ihn Belastendes in seinen Predigten gefunden werden sollte, aber ohne Erfolg. Als sich die Rote Armee Branitz nähert, wird das Wehrmachtslazarett evakuiert. In der Branitzer Anstalt bleiben noch 1.100 psychisch Kranke zurück. Weil die Anstalt Bombenangriffen und Beschuss ausgesetzt ist, wird es für die Kranken kritisch. Joseph Martin Nathan kann mit den sowjetischen Soldaten für einige Stunden einen Waffenstillstand vereinbaren; er flüchtet in dieser Zeit am Karfreitag (30. März) mit 500 transportfähigen Nervenkranken zu Fuß 14 km nach Freudenthai [Bruntal], wo alle in Sicherheit gebracht werden können. Von hier aus begibt er sich zum Pfarrhaus von Mährisch Schönberg [Sumperg]. Hierhin beordert er alle noch erreichbaren Priester zu einer Dekanatskonferenz.

Nach dem Krieg kehrt Joseph Martin Nathan nach Branitz zurück und versucht dort, die zerstörten Anstaltsgebäude langsam wieder aufzubauen. Das Olmützer Dekanat Katscher [Ketf] fällt nun aber nach der neuen Nachkriegsordnung unter polnische Verwaltung. Der polnische Primas Augustyn Kardinal Hlond SDB (1881–1948) erklärt Weihbischof Joseph Martin Nathan für abgesetzt und unterstellt das Branitzer Gebiet der neu gebildeten Apostolischen Administratur Oppeln (Opole). Joseph Martin Nathan muss am 21. Dezember 1946 schwer erkrankt Branitz verlassen und wird nach Troppau [Opava]/CSR ausgewiesen, wo er im dortigen Marianum kurz darauf am 4. Februar 1947 verstirbt. Aus politischen Gründen wird er entgegen seinem Wunsch zunächst in Troppau beigesetzt, 2014 können dann seine sterblichenÜberreste aus Tschechien in das heute polnische Branitz umgebettet werden.

Quellen

Krause, Peter/Reinelt, Herbert/Schmitt, Helmut (2020): Farbe tragen, Farbe bekennen. Katholische Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Teil 2. Kuhl, Manfred (ÖVfStG, Wien) S. 226/227.; Photo: ÖVfStg

Joseph Martin Nathan

Priester
Bsg,
* 11. Nov. 1867
Stolzmütz
† 30. Jän. 1947
Troppau
Widerstandskämpfer (unentdeckt)