Dr. Norbert Ortel
Personalia
Geboren:
Gestorben:
Beruf:
Verfolgung:
Haft Dezember 1939 (eine Woche)
Mitgliedschaften
ÖCV:
Lebenslauf
Norbert Ortel besucht das Schottengymnasium in Wien. Als 15-jähriger Schüler beteiligt er sich zusammen mit rund zwanzig Jugendlichen an der Vorbereitung des Rosenkranzfestes am 7. Oktober 1938. Sie können am 15.9.1938 Domvikar Dr. Martin Stur (1905–1987) davon überzeugen, dass die Jugendfeier ungeachtet des inzwischen erfolgten Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich stattfinden soll. Stur hat 200 Plakate drucken lassen, die aber nicht überall angekommen sind:
„Katholische Jugend! Der Bischofruft dich zur Feierstunde im hohen Dom zu St. Stephan am 7. Oktober 1938, 20 Uhr.“
Schriftliche Einladungen hat es nicht gegeben. Im „Diözesanblatt“ ist diese Notiz zu lesen:
„Diese Feierstunde wird den besten unserer Jugendlichen für das kommende Arbeitsjahr Ansporn geben und das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit wachrufen. Der Dom zu St. Stephan und die Anwesenheit des Bischofs werden gerade in den jetzigen harten Tagen unserer Jugend Arbeitsfreude und Bekennermut geben.“
Norbert Ortel Mitschüler Wolfgang Müller-Hartburg (1923–2001) erinnert sich:
„Wir kannten das Regime und die Gestapo damals schon so gut, dass wir dem Dr. Stur vorgeschlagen haben, nicht schriftlich, nicht telefonisch, sondern nur persönlich und mündlich dazu einzuladen. 20 junge Burschen, die ein Fahrrad besaßen, sind jeder in 10 bis 12 Pfarren gefahren und haben die Jugend und ihre Kapläne eingeladen. Alle waren begeistert und so hat sich das in Wien herumgesprochen.“
Auch Norbert Ortel ist mit seinem Fahrrad unterwegs und verbreitet die nötigen Informationen über die geplante Feier.
„Weitersagen: Am 7. Oktober im Dom!“
„Wir hatten den strikten Auftrag, nur mit dem Pfarrer oder dem Jugendseelsorger zu sprechen.“
Im Vorfeld der Feier sind die Jugendlichen auf Plakaten verwarnt worden:
„Achtung! Jeder Jg., der von nun an in dieser Kirche gesehen wird, wird strengstens überwacht! Wir warnen!“
Warum Norbert Ortel bei dieser Aktion trotzdem mitgemacht und wie er sie persönlich empfunden hat, dazu sagt er:
„Die Andacht war gedacht als Bekenntnis der Katholischen Jugend auch zu den so genannten ‚altmodischen Dingen‘ wie eben den Rosenkranz. Man hatte uns die Vereine genommen, wir wurden in die Pfarren, in die Seelsorgestunden abgedrängt und wir wollten natürlich auch mit einer Kundgebung zeigen, dass wir noch da sind.“
Dass dieses Rosenkranzfest völlig unerwartet zu einer Demonstration der katholischen Jugend Wiens gegen den Nationalsozialismus geworden ist, dies hat niemand vorhersehen können, auch nicht die Folgen.
„Mir ist vor allem dieser Satz ‚Christus ist euer Führer‘ in Erinnerung, weil uns allen der Kinnladen heruntergefallen ist, es war doch für damalige Verhältnisse ein Reichsverbrechen, so etwas zu sagen.“
Verunsichert durch die Ereignisse der letzten Monate seit dem Anschluss und die Haltung der Bischöfe zur Volksabstimmung hören jetzt die Jugendlichen im Stephansdom Kardinal Innitzer persönlich:
„Vielleicht haben manche von euch, ihr lieben jungen Katholiken, in den letzten Monaten nicht alles verstanden, was die Bischöfe getan haben. Ihr wisst, um was es sich handelt. Aber wir können Zeugen sein, dass es den Bischöfen sehr am Herzen gelegen ist, nur das zu tun, was sie mit bestem Wissen und Gewissen tun konnten, dass sie sich bewusst sind, dass sie eine schwere Verantwortung vor dem Herrgott tragen.“
Norbert Ortel erinnert sich rückblickend:
„Von seiner Ansprache waren wir total begeistert, auch weil er von seinem früheren Verhalten abgerückt ist.“
Eine ähnliche, öffentliche und so große Manifestation gegen das NS-Regime wie die der Katholischen Jugend am 7.10.1938 im Wiener Stephansdom hat es im ganzen Deutschen Reich nicht gegeben.
Für einige Katholiken bleibt die Teilnahme an dieser Feier nicht ohne Konsequenzen: In den der Feierstunde folgenden Tagen werden die Mitglieder des Bundes Neuland Hans Eis, Egon Hanel und Hermann Lein sowie Mitglieder des Reichsbundes der katholischen deutschen Jugend Österreichs Josef Kaspar, Franz Ranftl und Franz Riesenhuber und Ferdinand Habel festgenommen.
Gemeinsam mit seinem Mitschüler Wolfgang Müller-Hartenburg wird Norbert Ortel im Dezember 1939 im Klassenzimmer von der Gestapo festgenommen unter dem Verdacht, verbotene Schriften zu besitzen. Nach einer Woche im Polizeigefangenenhaus wird er wieder enthaftet und kann das Gymnasium weiter besuchen. 1941 legt er die Matura am Staatsgymnasium Wien I – nach der Auflösung des Schottengymnasiums hat das Wasagymnasium in Wien 9 dessen Räume bezogen – ab und meldet sich – wie auch seine politisch gefährdeten Freunde – zur deutschen Wehrmacht, um so vor weiteren Verfolgungen der Gestapo geschützt zu sein. Er dient bei den Gebirgsjägern in Norwegen, wo er in Kriegsgefangenschaft gerät. Sein älterer Bruder Alexander ist 1943 in Russland gefallen.
Nach Rückkehr aus der Gefangenschaft beginnt er das Medizinstudium an der Wiener Universität, das er 1950 mit der Promotion zum Dr. med. abschließt. 1946 wird er – wie sein Vater Alexander – Mitglied der Studentenverbindung Nordgau. Er wirkt dann als Oberstadtphysikus und praktischer Arzt in Wien und u. a. 1957–1988 als Schularzt am Schottengymnasium. 1986 erhält er das Band der Norica für seinen jahrelangen Einsatz als Arzt bei den Skikursen der Norica.
Orte
Wohnort:
Quellen
Krause, Peter/Reinelt, Herbert/Schmitt, Helmut (2020): Farbe tragen, Farbe bekennen. Katholische Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Teil 2. Kuhl, Manfred (ÖVfStG, Wien) S. 237/238.