Karl Zehetner
Personalia
Geboren:
Gestorben:
Beruf:
Verfolgung:
Haft 1941 (14 Tage),
Haft 01.05.1945 - 07.05.1945,
Widerstandskämpfer
Mitgliedschaften
MKV:
Lebenslauf
Karl Zehetner besucht zunächst die Lehrerbildungsanstalt in St. Pölten, wo er in die Mittelschulverbindung Carolina St. Pölten eintritt. 1933 tritt er der Studentenkompanie des Heimatschutzes am Lehrerseminar bei – sie muss zur Niederschlagung des Putsches der Nationalsozialisten nach dem Mord an Kanzler Dollfuss nach Wien ausrücken. Nach der Matura 1934 kehrt er in seinen Heimatort Hausmening bei Amstetten zurück und wirkt hier als unbezahlter Probelehrer. 1934–1938 fungiert er als Obmann der örtlichen Jugendbewegung „Jung Vaterland“.
Die frühen Warnungen seines damaligen Verbindungsseelsorgers Prälat Josef Huber vor dem Nationalsozialismus sind mit prägend für ihn geworden. So verweigert er nach dem Anschluss den Beitritt zum NSLB oder sonstigen NS-Organisationen, wodurch die Hoffnung auf eine Festanstellung als Lehrer schwindet.
Um der sofortigen Einberufung zum Wehrdienst zu entgehen ist er von März-Oktober 1938 auf einem „Landarbeitlager“ in Norddeutschland tätig, dann wieder im elterlichen Betrieb, bis im Mai 1940 die Einberufung zur Wehrmacht folgt. Gesuche um eine Rückstellung wegen betriebsnotwendiger Präsenz zu Hause sind erfolglos. Er kommt zu verschiedenen Einheiten nach Kaplitz [Kaplice]/Südböhmen, damals Gau Oberdonau, Eisenstadt und nach Litzmannstadt [Lodz] im Generalgouvernement. Seine zwischenzeitige Überlegung, sich als Lehrer für den Heeresschuldienst zu bewerben, zerschlägt sich aber, weil er als Voraussetzung die Ernennung zum Offiziersanwärter ablehnt.
An der Ostfront erlebt er, wie unter Berufung auf den völkerrechtswidrigen Kriegsgerichtsbarkeitserlass Adolf Hitlers vom 13.3.1941 sechs versprengte sowjetische Kriegsgefangene, die hinter der Front nach einem Feuergefecht mit der deutschen Wehrmacht aufgegriffen worden sind, gehenkt werden. Hierüber berichtet er wahrheitsgetreu an seine Familie und hält entsetzt und besorgt fest: „Wenn das die Russen mit uns machen …!“ Sein Brief wird geöffnet und seine Vorgesetzten erhalten davon Kenntnis. Er erhält daraufhin ein Kriegsgerichtsverfahren wegen „defätistischer Berichterstattung“ und wird zu einer Militärstrafe von 14 Tagen Arrest verurteilt.
Aufgrund eines Wachevergehens im Frühjahr 1942 soll Karl Zehetner unmittelbar an die Front zur Kampftruppe IR 447 abkommandiert werden. In einem unbemerkten Augenblick lässt er sich von einem Wehrmachts-LKW fallen und erleidet durch den Aufprall eine Kopfverletzung mit Gehirnerschütterung. Er tarnt diesen Vorfall als Unfall und simuliert in weiterer Folge diese Erkrankung. Selbstverstümmelung wird nämlich nach § 5 KSSVO als „Wehrkraftzersetzung“ meist mit dem Tode bestraft.
Nach Versorgung auf dem Verbandsplatz in Roslawl erfolgt dann die Rückverlegung in das Reservelazarett XXa in Wien, Rosenhügel. Hier kommt er über seinen Bruder, DI Alois Zehetner, in Kontakt mit Ing. August Kargl (1898–1960) und dessen Schwager Dr. Karl Eckling. Beide sind bereits im Geheimen in den militärischen bzw. ärztlichen Widerstand involviert. August Kargl war 1936–1938 Mitglied der NÖ Landesregierung und ist nach dem Anschluss mit dem ersten Prominententransport in das KZ Dachau überstellt worden. Hauptmann Dr. Karl Eckling beordert Karl Zehetner in die Wehrmachtskommandantur Wien, wo er Verbindung zum Vorarlberger Stabsarzt Dr. med. Albert Rheinberger vom Reserve-Lazarett IA (ehem. Rainerspital) aufnimmt, der hier mit Gleichgesinnten in der Gruppe „Widerstandslazarette“ zusammenarbeitet. Dieser bewahrt Karl Zehetner durch verfälschte ärztliche Atteste vor einem weiteren Fronteinsatz.
Am 20.7.1942 erfolgt die Entlassung aus dem Lazarett, er wird einer Genesenden-Kompanie zugeteilt und verbüßt im August oder September 1942 dann die 14-tägige Militärstrafe (verschärfter Arrest) in Hollabrunn. Bei einem alliierten Bombenangriff auf Wien am 10.9.1944 wird Karl Zehetner verletzt und rüstet am 26.9.1944 von der Wehrmacht ab. Er kehrt nach Amstetten zurück.
Im September 1944 lernt er den Unteroffizier Dr. Anton Orac kennen, der maßgebend am Aufbau der Widerstandsbewegung „Österreichisches Nationalkomitee [ÖNK]“ beteiligt ist. Diese Gruppe arbeitet einen großen Befreiungsplan aus, der in Beachtung der sog. Moskauer Deklaration von 1943 den Beitrag zur Befreiung darstellen soll. Das ÖNK, 1943 aus militärischen Kreisen entstandene Organisation mit verschiedensten Gegnern des NS-Systems, wird nach dem gescheiterten Attentat vom 20.7.1944 aktiv mit Sitz in Mödling. Es unterhält auch lose Verbindung zur Widerstandsgruppe von Major Carl Szokoll (1915–2004) und der „Operation Radetzky“.
Im Dezember 1944 wird Karl Zehetner von Anton Orac telefonisch von der Verhaftung eines Mitglieds des ÖNK, informiert. Unverzüglich verlässt er daraufhin Amstetten und zieht in seine Wiener Wohnung. Das ÖNK wird am 6.2.1945 durch einen V-Mann ausgeforscht, worauf in Mödling eine Verhaftungswelle folgt. Karl Zehetner taucht in Wien unter.
Karl Zehetner verweigert die Einberufung zum Wiener Volkssturm und wird deshalb seit Februar 1945 von der Gestapo als fahnenflüchtig gesucht. Unbemerkt kehrt er nach Amstetten zurück und schließt sich im Frühjahr 1945 der vom Südtiroler Hauptmann Viktor Estermann angeführten militärischen Widerstandsbewegung Österreichische Freiheitsbewegung „Erika-Enzian“ im Ybbstal an, die zivile und militärische Personen umfasst. Viktor Estermanns Einheit, die Artillerie-Ersatzabteilung 109, ist im Dezember 1944 von Brünn [Brno] (heute Tschechien) nach Amstetten verlegt worden. Ziel der Gruppe ist es, Amstetten das Schicksal einer Frontstadt zu ersparen. Karl Zehetner wird dort als Verbindungsmann zwischen dem militärischen und dem zivilen Widerstand in Stadt und Bezirk Amstetten eingesetzt. Von einer Baracke aus, die sich im Ortsteil Greinöd der Gemeinde Neuhofen/Ybbs in einem Wald befindet, führt er seine Aufbautätigkeit aus. Mit einem Gewährsmann kann er die Sprengung der Ybbsbrücke bei Allersdorf verhindern und damit den sog. „Nero-Befehl“ Adolf Hitlers vom 19.3.1945 unterlaufen.
Diese Widerstandsbewegung wird auch ausgespäht und verraten. Karl Zehetner wird am 1.5.1945 von der Gestapo verhaftet und ins Gefangenenhaus des BG Amstetten gebracht. Trotz Misshandlung und Gegenüberstellung mit Angehörigen der Amstettener Garnison verrät er keinen einzigen seiner noch in der Wehrmacht aktiven Mitstreiter. Die inhaftierten Widerstandskämpfer sollen in das KZ Mauthausen überstellt werden. Der militärische Zusammenbruch des NS-Regimes führt aber zur Enthaftung von Karl Zehetner und seiner Kameraden.
Nach dem Ende Krieg arbeitet Karl Zehetner im Familienunternehmen (Baustofferzeugung, Baustoffgroßhandel und Hoch- und Tiefbau) und betätigt sich auch kommunalpolitisch. Am 18.5.1945 wird er zum Vizebürgermeister (ÖVP) seiner Heimatgemeinde Ulmerfeld Hausmening bestellt (bis 23.3.1946). Er wendet sich nachdrücklich gegen die zwangsweise Einsetzung kommunistischer Gemeinderäte durch die sowjetische Besatzungsmacht, seine weiteren kommunalpolitischen Ambitionen scheitern an deren Veto. Auf Druck der Besatzungsmacht muss er am 16.5.1946 aus dem Gemeinderat ausscheiden.
Im Jahr 1950 gerät Karl Zehetner dann aufgrund einer Denunziation in den Verdacht des illegalen Waffenbesitzes. Er wird verhaftet und im Gefangenenhaus des sowjetischen Militärgeheimdienstes NKWD in St. Valentin interniert. Nach einer Intervention des Bundeskanzlers Ing. Leopold Figl wird er enthaftet und der österreichischen Justiz übergeben. Das KG St. Pölten fällt unter sowjetischem Druck zunächst einen Schuldspruch, wogegen Karl Zehetner Berufung einlegt. Das OLG Wien verkündet unter dem Schutz der US-amerikanischen Besatzungsmacht und unter maßgeblicher Beteiligung seines Anwalts Dr. Heinrich Wiesbauer einen Freispruch.
Orte
Wohnort:
Quellen
Krause, Peter/Reinelt, Herbert/Schmitt, Helmut (2020): Farbe tragen, Farbe bekennen. Katholische Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Teil 2. Kuhl, Manfred (ÖVfStG, Wien) S. 298 - 400.; Photo: ÖVfStg