DDr. Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenberg
Personalia
Geboren:
Gestorben:
Beruf:
Verfolgung:
Haft 18.03.1938 - 16.07.1938,
KZ Dachau 16.07.1938 - 01.08.1938,
Ermordet im KZ Dachau am 01.08.1938
KZ-Nummer:
Mitgliedschaften
CV:
KÖL:
MKV:
ÖCV:
Lebenslauf
Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenberg, Sohn eines alteingesessenen böhmischen Gutsbesitzers, wird auf Schloss Dobritschan (Dobrícany, Nordwestböhmen, südöstlich von Saaz [Zatec]) geboren, zunächst privat unterrichtet und besucht ab Herbst 1895 das k. k. humanistische Gymnasium in Saaz [Zatec]. Nach der Matura 1903 geht er nach Prag und inskribiert an der juridischen Fakultät der deutschen Karl-Ferdinands-Universität. 1905 wechselt er nach Fribourg [Freiburg im Üechtland] in der Schweiz und tritt dort 1905 der Studentenverbindung Teutonia bei, für junge Adelige damals ein mutiger Schritt. Als Student hat er auf dem väterlichen Gut einen kollektiven Arbeits- und Tarifvertrag für die dort beschäftigten Arbeiter eingeführt, ein Novum zur damaligen Zeit. 1908 kehrt er nach Prag zurück und legt seine juristische Staatsprüfung ab. Dort wird er nun auch Mitglied der Ferdinandea Prag. Im Jahr darauf promoviert er zum Dr. iur. utr. und wechselt nach Berlin, um hier bis 1911 Agrar- und Nationalökonomie zu studieren und 1912 zum Dr. oec. publ. zu promovieren. Er beginnt nun seine berufliche Laufbahn als Konzeptspraktikant bei der k. k. Statthalterei in Prag und wird 1913 nach Wien in die Abteilung Agrarstatistik der Statistischen Zentralkommission versetzt.
Während des Ersten Weltkrieges ist Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenberg als felddienstuntauglich bei der BH in Braunau am Inn beschäftigt und wird im Mai 1918 als Sektionsrat in das k. k. Ackerbauministerium berufen. Obwohl er dem Parteirat der Christlichsozialen Partei (CSP) angehört, wird er ein Jahr später vom sozialdemokratischen Staatskanzler Dr. Karl Renner (1870–1950) ins Verfassungsamt der Staatskanzlei (Bundeskanzleramt) geholt, wo er zwölf Jahre tätig ist. 1920 erwirbt er die Venia Legendi an der Hochschule für Bodenkultur, wo er zunächst als Privatdozent und ab 1931 als a. o. Professor Verfassungs- und Verwaltungsrecht lehrt.
In Wien findet er Anschluss an die Studentenverbindung Nibelungia, wo er 1924 Mitglied wird. 1926 wird er Mitglied bei der Mittelschulverbindung Ottonia (heute mit Vindobona I vereinigt) und 1936 bei der Mittelschulverbindung Ostgau.
Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenberg fühlt sich dem österreichischen Kaiserhaus auch in der Republik verbunden und nimmt als einziger österreichischer Hochschulprofessor an der Promotion von Otto von Habsburg in Löwen (Belgien) teil. Er bemüht sich auch um die Heiligsprechung des letzten österreichischen Kaisers Karl I. (1916–1918) und gibt 1928–1938 dazu die „Kaiser Karl Gedächtnisjahrbücher“ heraus. Die Seligsprechung Karls I. erfolgt dann durch Papst Johannes Paul Il. [Karol Woityla] (1978–2003) am 3. Oktober 2004 mit dem Gedenktag 21. Oktober, dem Hochzeitstag des Kaiserpaares.
Als überzeugter Monarchist ist Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenberg mit August M. Knüll, Alfred Missong und Ernst Karl Winter der Überzeugung, dass Österreich sein übernationales Wesen der Donaumonarchie pflegen und eine Brückenfunktion in den südosteuropäischen Raum erfüllen muss. So kommt es in seinem Haus im Herbst 1926 zur Gründung der „Österreichischen Aktion“ – für ein selbständiges Österreich und gegen die deutschnationalen Tendenzen: „in der Betonung des europäischen Gedankens sollte das Österreichische an sich bewahrt bleiben“. Sie bekennen sich dabei zu den Grundsätzen der katholischen Sozialehre des Karl von Vogelsang (1818–1890). Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenberg wird 1934–1938 Mitglied des Bundeskulturrates und dort Sprecher der katholischen Privatschulen, denen er sich besonders verbunden fühlt. Ferner leitet er das Traditionsreferat der VF.
Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenberg kommt auch in Kontakt mit der 1922 gegründeten Studentenverbindung, der Katholisch-Österreichischen Landsmannschaft Maximiliana, die durch Tochterverbindungen bestrebt ist, einen legitimistischen Verbandösterreichischer Korporationen zu gründen, und wird 1926 dort Mitglied. Er gehört 1933 zu den Mitbegründern des Akademischen Bundes Katholisch-Österreichischer Landsmannschaften (KÖL) und ist Gründungsmitglied der Ferdinandea (KÖL) in Graz. In der Folge erhält er dann die Mitgliedschaften aller Verbindungen der damaligen KÖL.
Im Hinblick auf das Juli-Abkommen, Vertrag vom 11. Juli 1936, hat er als Staatsrechtler die Eigenständigkeit Österreichs beschworen.
Nach dem Hitler-Schuschnigg-Treffen am 12. Februar 1938 in Berchtesgaden ist er auf das Ärgste gefasst und ruft zu Demonstrationen auf. Immer wieder betont er öffentlich die Unvereinbarkeit von Nationalsozialismus mit dem „österreichischen Menschen“. Er macht sich so zum Erzfeind der Nationalsozialisten.
In der Nacht vom 11. auf den 12. März 1938 zieht sich Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenberg nach einem sorgenvollen Anruf Otto von Habsburgs, der ihn und seine Familie zur Flucht ins Ausland geraten hat, in das in der Nähe des Cobenzl gelegene Kloster der Schwestern vom armen Kinde Jesu zurück. Hier verfasst er als eine Art politisches Testament den „Bericht an die Gestapo – Mein Leben und Streben“, in dem er seine Position zum Nationalsozialismus erläutert.
Seine Wohnung wird sofort nach dem Anschluss durchsucht und zahlreiches Material beschlagnahmt, während er sich noch einige Tage versteckt halten kann – es folgen noch weitere sechs Hausdurchsuchungen. Am 14. März 1938 erhält er von einem Studenten die Nachricht, dass er als Hochschulprofessor „beurlaubt“ sei. [Die Familie erfährt erst mit Schreiben vom 12. September 1938 (!) davon.] In der letzten Ausgabe der Zeitschrift „Der christliche Ständestaat“ Nr. 10 vom 13. März 1938 ruft er mit dem Artikel „Jetzt heraus mit dem Bekenntnis!“ zur Teilnahme an der vorgesehenen Volksabstimmung am Sonntag, dem 13. März auf. Diese Ausgabe kann auf Grund der eingetretenen Ereignisse des Anschlusses in Wien nicht mehr ausgeliefert werden.
Am 18. März 1938 besucht Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenberg zusammen mit seiner Frau die 8-Uhr-Messe in der Krypta der Pfarrkirche „Maria Schmerzen“ im Kaasgraben in Wien-Döbling und wird vom Altar weg verhaftet – eine Gedenktafel an der rechten Außenwand der Kirche erinnert seit 2005 daran.
Bei der Befragung der Häftlinge nach Name und Grund der Inhaftierung antwortet er: „Hochschulprofessor Bundeskulturrat Freiherr Zeßner von Spitzenberg; weil ich an leitender Stelle in einer monarchistischen Bewegung Österreichs tätig bin.“ Nach sechs Wochen im Polizeigefängnis Elisabethpromenade wird er am 29.April 1938 ins LG Wien verlegt. Von hier erfolgt mit dem vierten Dachau-Transport am 15. Juli 1938 die Überstellung ins KZ. Bereits während des Transportes wird Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenberg von einem SS-Mann mit dem Stiefelabsatz in den Unterleib getreten, dadurch kommt er krank im Lager an, die erlittenen Nierenverletzungen führen dann zum Tode.
„Weil ich im Glauben an Gott und an ein christliches Österreich unter Führung des Hauses Habsburg die einzige Rettung für die Unabhängigkeit und Selbständigkeit meines Vaterlandes sehe.“
Wegen dieser vom Lagerleiter verlangten „Meldung“ über sich selbst nach Ankunft im KZ wird er dem Strafblock 15, einem vom übrigen Lager durch einen Stacheldrahtzaun abgetrennten Block, zugeteilt.
Trotz schlimmer Verletzung muss er in großer Hitze schwerste Arbeit leisten, und dies mit stark geschwollenen Beinen und hohem Fieber über 40 Grad. Obwohl ihm ab 29. Juli 1938 Bettruhe erlaubt ist, muss er bei einem Strafappell am 30. Juli 1938 während der Mittagshitze stundenlang stehen, bis er zusammenbricht. Ein Mithäftling [Prof. Karl Adamik] beschreibt in einem Brief vom 28. Juli 1948 an Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenbergs Gattin Elisabeth diese Szenen.
Am 31. Juli 1938 wird Hans Karl Frhr. Zeßner von Spitzenberg ins Krankenrevier gebracht, aber zu spät. Am nächsten Tag stirbt er 53-jährig im KZ Dachau. Er ist der erste Österreicher, der in einem KZ ermordet wurde. Als Todesursache wird offiziell mitgeteilt, dass er einer „doppelseitigen Lungenentzündung“ erlegen sei. Sein Leichnam wird am 6. August 1938 nach dem Requiem in der Kaasgrabenkirche auf dem Grinzinger Friedhof beigesetzt.
Quellen
- Krause, Peter/Reinelt, Herbert/Schmitt, Helmut (2020): Farbe tragen, Farbe bekennen. Katholische Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Teil 2. Kuhl, Manfred (ÖVfStG, Wien), S. 403–406.