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Die Zwangsauflösung der Verbände und Verbindungen

von Reinhart Handl

Die Auflösung

[...] Noch am 11.3.1938 kam es zu Übergriffen von NS - Formationen auf katholische Verbindungen und deren Vermögen. (Die nationalen Korporationen erhielten auch in Österreich die Gelegenheit zur "freiwilligen" Selbstauflösung.) Diese Übergriffe waren natürlich ohne jegliche rechtliche Grundlage und wurden erst im Nachhinein durch entsprechende Verordnungen etc. legalisiert und blieben somit ungeahndet. Am 7. Juni 1938 erließ die Gestapo eine Verordnung (RGBI. I S. 433), die alle katholischen Korporationen und ihre Verbände verbot und für aufgelöst erklärte. (Der MKV, der ja als Teil der unter kirchlicher Aufsicht stehenden Jugendbewegung galt, fällt nicht darunter.) Die entsprechende Veröffentlichung erfolgte im Völkischen Beobachter und der Wiener Zeitung am 10. Juni 1938. Diese Verordnung hatte provisorischen Charakter und betraf nur die Korporationen im Land Österreich. Aber schon am 20. Juni 1938 unterzeichnete der Reichsführer SS und Polizeichef Heinrich Himmler das Gesamtverbot für das Deutsche Reich. In Heidelberg fand am 23. Juni 1938 der "1. Großdeutsche Studententag" statt, auf dem dieser Erlass der studentischen Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht wurde. Die meisten waffenstudentischen Altherrenverbände [Anm.: zB Burschenschaften] traten nun der NS- Altherrenschaft bei, und am 25.Juni 1938 berichtete der Deutsche Nachrichtendienst:

Der Reichsführer 55 und Chef der deutschen Polizei hat auf Grund des§ 1 der Verordnung des Reichspräisidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 sämtliche katholischen Studenten- und Akademikerverbände einschließlich aller Untergliederungen und angeschlossenen Vereinigungen mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Die katholischen Studenten -und Altherrenverbände waren vor der Machtübernahme im alten Reichsgebiet die Triiger der Zentrumspolitik und im Lande Österreich bis zum 13. März 1938 im Rahmen der Vaterländischen Front die stärksten Stützen des Regimes Dollfuß und Schuschnigg. Trotz äußerer Gleichschaltung haben in den Jahren 1933 bis 1938 Angehörige dieser Verbände im alten Reichsgebiet staatsfeindliche Beziehungen mit österreichischen Verbandsbrüdern gepflegt. Nach dem sich im April 1938 alle Waffenstudentischen Altherrenverbände unter dem Eindruck der Schöpfung des Großdeutschen Reiches aufgelöst haben, um ihre Mitglieder in den offiziellen, unter der Führung des Reichsstudentenführers stehenden NS-Altherrenbund der deutschen Studenten zu überführen und damit die Einigung des gesamten nationalsozialistischen Altherrenbundes herzustellen, ist das weitere Bestehen von Studenten- und Altherrenverbänden außerhalb der NS-Altherrenschaft politisch nicht tragbar.

Am 22.Juli 1938 werden analog dazu die evangelischen und christlichen Studentenvereine aufgelöst (Ministerialblatt 1938, 34, Sp. 1309). Der Runderlass des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei vom 20. Juni 1938 löste somit endgültig auch den ÖCV und alle seine vereinsrechtlich gemeldeten Untergliederungen (= Verbindungen) auf. Der Stillhaltekommissar für Vereine, Verbände und Organisationen veranlasste die Streichung im Vereinsregister, es erfolgte kein weiterer Bescheid. Die Buden und alles Inventar wurden beschlagnahmt, sämtliches Vermögen musste abgeliefert werden.

Anders verlief hingegen die Auflösung des MKV und des Akademischen Bundes der Katholisch-Österreichischen-Landsmannschaften. Der MKV war seit 1936 der sogenannten Konkordatsjugend unterstellt, das heißt er war damit unter die Aufsicht der Amtskirche gestellt und Teil der Katholischen Aktion, der indirekten Verwirklichung von Ideen des Bundes Neuland. Die Katholische Aktion wurde, wahrscheinlich im Hinblick darauf, dass Neuländer teilweise mit dem Nationalsozialismus liebäugelten, bei der Auflösung kulanter behandelt. Nach Gesprächen mit der Leitung der Katholischen Aktion wurde dieser eine eigenständige Liquidation zugestanden. Es wurde für alle Mitgliedsverbände die Weisung ausgegeben, sich selbst aufzulösen. Für den MKV tat dies sein Gründer und KartellvorsitzenderJaro Sterbik-Lamina (Mitglied der Ostaricia Wien). Er verschickte an alle MKV- Verbindungen die Aufforderung, sich vereinsrechtlich aufzulösen und an ihn das Vermögen abzuliefern. Diese Briefe, die um den 10. Juni 1938 versandt wurden, hat er alle eigenhändig geschrieben.

Die Korporationen mussten die Auflösung anzeigen. Vereinsbehörde waren in Wien der Magistrat, in den Bundesländern die Bezirkshauptmannschaften bzw. die Magistrate in den Statutarstädten, die die Löschung aus dem Vereinskataster der Bundespolizeidirektion (Sicherheitsdirektion) veranlassten. Löste sich eine Verbindung bereits vorher vereinsrechtlich auf und waren die vermögensrechtlichen Belange geklärt, erfolgte vorerst keine bescheidmäßige Erledigung mehr durch die Behörde. Weitblickende Verbindungen hatten sich bereits am 11. oder 12. März selbst aufgelöst und das Ergebnis der Vereinsbehörde angezeigt, z.B. die K.dStV Frankonia Wien. In diesen Tagen konnte das Vermögen mitunter gerettet, das heißt an die Mitglieder aufgeteilt werden.

Die Phase der Liquidation dauerte ca. ein Jahr, danach wurden alle übrigen Verbindungen, die sich noch nicht aufgelöst hatten, bescheidmäßig aufgelöst. Darunter fallen auch alle nationalen akademischen und pennalen Bünde, aber auch die katholischen Landsmannschaften. Beantragt wurde die Auflösung vom Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände. Rechtsgrundlage war das Gesetz über die Überleitung und Eingliederung von Vereinen, Verbänden und Organisationen vom 17. Mai 1938. Die Auflösungen wurden später in der Wiener Zeitung (für den Gau Wien am 9. August 1939) verlautbart. Der Magistrat veranlaßte die Löschung der Vereine. Die entsprechenden Bescheide wurden in Wien, wo auch der MK.V seinen Sitz hatte, am 30. 11. 1939 ausgefertigt. Damit ist dieses Datum auch der Tag der offiziellen, vereinsrechtlichen Auflösung des MKV Das Vermögen der aufgelösten Vereine war nach den Bescheiden zu 50% an den Stillhaltekommissär und zu 50% an die NSDAP abzuliefern. Die innerkirchliche Liquidation des MK.V und die behördliche Auflösung führten besonders bei der Ablieferung des Vermögens zu Schwierigkeiten. So mussten manche Verbindungen das bereits beschlagnahmte Vermögen wieder auslösen und an den Liquidator Sterbik-Lamina abliefern.

Im Untergrund

Aus den Berichten über die Auflösung von Verbindungen lassen sich folgende Punkte zusammenfassen:

Aus heutiger Sicht ist es verwunderlich, dass für das Verbot und die Auflösung der Verbindungen keinerlei "Alarmpläne" entwickelt wurden. Zwar gab es im Wiener CV ein Schneeballwarnsystem, und die Aktiven wurden zum Sturmkorps der Vaterländischen Front am Concordiaplatz zusammengezogen, Maßnahmen, die Verbindungen selbst betreffend, waren jedoch nicht vorgesehen. Lediglich  Rhaeto-Danubia Wien hatte bereits 1936 durch die Wahl eines zukünftigen illegalen Leiters der Verbindung vorgesorgt. Ansonsten nimmt es Wunder, dass, wenn schon nicht Wichsen und Gegenstände, die für den "täglichen" Gebrauch bestimmt waren, so doch wenigstens Fahnen und wertvolle Archivalien (Annalenbücher etc.), zumindest nach dem 12. Feber 1938, dem Tag des geheimen Treffens von Schuschnigg mit Hitler am Obersalzberg, bei Alten Herren oder vertrauenswürdigen Personen versteckt wurden. Bei Teutonia Innsbruck mussten unter großem, persönlichem Einsatz die bereits beschlagnahmten Annalen, die einzigartig für die Geschichte der katholischen Pennalien sind, wieder herausgeholt werden. Die Antwort auf die völlige Unvorbereitetheit liegt sicher in der tiefen Zuversicht und dem Vertrauen der Kartellbrüder zu der Österreichischen Führung. Man rechnete mit einem positiven Ausgang der Volksabstimmung, die für den 13.März 1938 angekündigt war.

Zu bedenken ist allerdings auch, dass im Deutschen Reich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ab 1933 der Druck auf die Korporationen und die Einschränkung ihrer Möglichkeiten kontinuierlich gesteigert wurde, bis sie sich selbst auflösten bzw. auflösen mussten. Dadurch hatten sie aber lange genug Zeit ihre Couleurgegenstände, Archivalien usw. in Sicherheit zu bringen. In Österreich hingegen brach das Unheil über die kath. Korporationen im wahrsten Sine des Wortes über Nacht herein, weshalb wichtige Verbindungsunterlagen und -Utensilien entweder kurz entschlossen vernichtet werden mussten oder nur in sehr beherzten Aktionen wenigstens zum Teil noch gerettet werden konnten. Viele dieser Episoden sind anschließend an die Geschichte der Verbände beschrieben.

Quelle: Fritz, Herbert/Krause, Peter (2013): Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. (ÖVfStg, 2013) S. 73-79.

 

 

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