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Gruppe Würthle und Flora-Kreis

Die Gruppe Würthle war eine der aktivsten Widerstandsgruppen in Tirol. Sie wurde von dem Schriftsteller und Journalisten Fritz Würthle, der aus Salzburg stammend, in Tirol gegründet. Fritz Würthle, der 1933 beim Berliner Tagblatt in Berlin journalistisch tätig war, kannte den Nationalsozialismus aus dieser Zeit und hatte 1936 eine anti-nationalsozialistische Broschüre geschrieben, welche beim Einmarsch der deutschen Truppen zwar ohne Würthles Namen, aber immerhin mit von ihm stammenden handschriftlichen Korrekturen im Schreibtisch des damaligen Landesschulinspektors von Tirol, Dr. Hans Gamper, Mitglied der Studentenverbindung A.V. Vindelicia, von der Gestapo gefunden wurde.

Würthle ging daher aus Sicherheitsgründen zur Wehrmacht und wurde schließlich 1940 ins Wehrmeldeamt Innsbruck abkommandiert, in dem schon damals eine Zelle überzeugter Gegner des Nationalsozialismus gebildet worden war. Der spätere Leiter der Wiener Staatspolizei Dr. Peterlunger und Dr. Leo Praxmarer, Mitglied der Studentenverbindung A.V. Austria Innsbruck, gehörten unter anderem dieser Zelle an. Es gelang ihnen vielfach, Gegner des Nationalsozialismus vor der Einberufung zur Wehrmacht zu bewahren, beziehungsweise deren Abstellung an die Front zu verhindern.

Der engere Kreis um Fritz Würthle stand durch Hans Bator, den Leiter des Bruder-Willram-Bundes, in enger Verbindung mit den Angehörigen des sogenannten Flora Kreises, der sich um Dr. Hermann Flora sen., Mitglied der A.V. Rate-Bavaria, einen angesehenen katholischen Arzt Innsbrucks, gesammelt hatte und dem unter anderen auch der Jesuitenpater Steinmayr angehört hatte. Außerdem bestand durch Dr. Melzer und den bekannten Tiroler Schriftsteller und Kaiserjägeroffizier des Ersten Weltkrieges Dr. Skorpil engste Verbindung zwischen dem Flora Kreis und der Mittwoch-Gruppe und somit zur Gruppe um Fritz Würthle.

Fritz Würthle war bestrebt, mehr und mehr die Grundlagen für eventuelle spätere bewaffnete Aktionen zu schaffen und hatte zu diesem Zwecke auch Verbindungen zu dem kommunistisch-linkssozialistischen Kreis um Josef Ronczay hergestellt, der wieder über Kanäle zu kommunistischen Kreisen in Linz und Kufstein verfügte. Am 20. Juni 1942 war in der Wohnung Josef Ronczays eine größere Zusammenkunft, in welcher viele Fragen, die sich bei einem plötzlichen Umschwung ergeben könnten, besprochen wurden. in der Erkenntnis, dass ein immer engeres Netz über Tirol gelegt werden müsse, um den Anforderungen, die der Tag X stellen würde, gerecht werden zu können, wurde immer zielbewußter die Verbindung mit mehreren anderen Gruppen, abgesehen von den schon genannten, angestrebt. Tatsächlich gelang es im Jahre 1943, sowohl mit der unter Führung von Toni Haller in Tirol aktiv werdenden Gruppe in nähere Verbindung zu treten, als auch mit den Gruppen um Vater und Sohn Grünewald, sowie um Dr. Hans Gamper, Mitglied der Studentenverbindung A.V. Vindelicia, und über diesen mit dem führenden Sozialisten und Innsbrucker Rechtsanwalt Dr. Gottfried Uffenheimer einen zunächst lockeren Kontakt herzustellen.

Während zu dem Kreis um Würthle nach und nach noch der bekannte Innsbrucker Arzt Dr. Stricker, der spätere Landesrat Ing. Ortner und der Physik Professor March stießen, wunden verschiedene Verbindungen nach außen angebahnt, so unter anderem durch Paul Flora mit der Münchner Studentengruppe der Geschwister Scholl, dem sogenannten Kreis der Weißen Rose, dessen Propagandamaterial auch über die Kreise von Dr. Hermann Flora sen. und Fritz Würtle in Innsbruck verbreitet wurde. Außerdem bestanden über Ing. Ortner Verbindungen mit sozialistischen Gruppen in Wien und über den Luxemburger Armand Mergen, der zu dieser Zeit in Innsbruck halb als Fremdarbeiter, halb als Student lebte, Verbindung zu Luxemburger Widerstandskreisen. Ferner standen dem Flora Kreis und dem Kreis um Fritz Würthle noch der junge Arzt Dr. Emil Eckel und der Architekt Jörg Sackenheim nahe.

1943 kam es zu einer Besprechung auf der Hungerburg bei Innsbruck, an der unter anderem Dr. Leo Praxmarer, Mitglied der Studentenverbindung A.V. Austria Innsbruck, Ing. Ortner, Fritz Würthle und Jörg Sackenheim teilnahmen und bei der zum ersten Mal die Frage der intensiven Vorbereitung militärischer Aktionen der Widerstandsbewegung besprochen wurde. Es wurde auch überlegt, zu bildende Aktivistengruppen eventuell in näheren Kontakt mit ähnlichen, in München bereits bestehenden Gruppen zu bringen. Kurz nachdem es Architekt Jörg Sackenheim, der am aktivsten mit Fritz Würthle zusammen die Aufstellung von bewaffneten Einsatztruppen forderte, gelungen war, mit Hilfe falscher Papiere die Verbindung zu der luxemburgischen Widerstandsbewegung enger zu gestalten, ebenso wie den Kontakt mit einigen höheren Militärs in München, wurde der Kreis um Dr. Hermann Flora sen. von der Gestapo gesprengt und Hermann Flora selbst sowie Pater Steinmayr und andere verhaftet. Vorher noch hatte Fritz Würthle in Innsbruck seine erste Zusammenkunft mit Dr. Karl Gruber, Mitglied der Mittelschulverbindung Vinbonona II und der Studentenverbindung Austria Wien, der zwar in Berlin angestellt war, aber von dort aus eine Wiener Widerstandsgruppe leitete und als gebürtiger Tiroler nun auch bestrebt war, mit den Innsbrucker Widerstandskräften Verbindung herzustellen, nachdem er schon mit dem Funkspezialisten Carl Hirnschrott Mitglied der Mittelschulverbindung Ambronia Innsbruck und Mitglied der Gruppe Haller, in Verbindung gestanden war.

Zur gleichen Zeit etwa hatte die Gruppe Würthle auch die Verbindung mit verschiedenen bewaffneten Maquisgruppen in den Bergen um Innsbruck aufgenommen, in denen sich sowohl Tiroler als auch Wiener und Reichsdeutsche, die entweder durch Vermittlung von Widerstandsleuten aus Gefängnissen entsprungen oder von der Wehrmacht desertiert waren, sammelten. Die Zentren dieser Partisanen lagen vor allem bei Gnadenwald sowie im Ötztal und in der Nähe der Schweiz. Obwohl die Verhaftung einer Anzahl leitender Mitglieder des Flora-Kreises auch allen anderen größere Vorsicht auferlegte, konnten doch verschiedene Waffen- und Munitionslager angelegt werden und über den mit Fallschirmen in Tirol abgesprungenen französischen Offizier Ferdinand Zöllner eine erste systematische Verbindung mit den alliierten Truppen hergestellt werden. Schon vorher, Anfang des Jahres 1944, war Fritz Würthle, da seine politische Aktivität aufgefallen war, ohne dass es möglich war, ihm etwas nachzuweisen, strafweise nach Lienz in Osttirol versetzt worden. Aber der organische Prozess des Zusammenwachsens der verschiedene Gruppen und der immer stärkeren Aktivierung der Vorbereitungen für einen bewaffneten Aufstand konnte durch die Strafversetzungen und Verhaftungen wohl behindert und verzögert, aber nicht aufgehalten werden.

 

Quelle: Molden, Otto (1958): Der Ruf des Gewissens. Der österreichische Freiheitskampf 1938 - 1945 (Wien), S. 119 - 122.

 

 

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